Traumhäuser
Ein Haus auf dem Haus
Architektur (D 2023)
Viele Jahre lang hat sie mit Begeisterung und Hingabe tolle Kisten gebaut: Kunstvoll gestaltete, moderne kubische Flachdachbauten aus Glas und Beton. Zum Beispiel auch das "Ökohaus mit Ecken und Kanten" aus der 3. Staffel der "Traumhäuser". Dann ändert sich die Welt der Nürnberger Architektin Dagmar Pemsel radikal. Der Stadtteil Gostenhof, wo sie seit vielen Jahren wohnt, erfindet sich gerade komplett neu. Zahlreiche Gewerbegebäude in der Nachbarschaft wurden in den letzten Jahren abgerissen und durch Wohnbauten ersetzt. Auch sie und ihr Lebensgefährte entschließen sich, zu bauen. Oder eher umzubauen: Das Dachgeschoss des Mehrparteien-Hauses aus den 20er-Jahren, in dessen 1. Stock sie bisher gewohnt hatten, wollen sie in zeitgemäßen, nachhaltigen Wohnraum umwandeln. Luftig und hell soll es werden mit zwei Balkonen und einem begrünten Lichthof. Und ökologisch: Geheizt wird mit Wärmepumpe gekoppelt mit Photovoltaik und Solaranlage. Dafür muss das alte Walmdach weichen. Auch bei ihren anderen Bauvorhaben achtet sie heute mehr auf Nachhaltigkeit, betreut immer mehr Bestandssanierungen. "Die Zeiten haben sich geändert", sagt Dagmar Pemsel. "Ich würde jetzt nicht mehr sagen, reißt es ab und baut neu. Im Gegenteil, ich empfehle jetzt auch Bauherren, die wirklich abreißen wollen, schauen wir halt erst mal, ob man was draus machen kann aus dem Bestand." So auch beim Bauvorhaben von Judith und Heiner Schöpfel. Judith Schöpfel hat ihr Elternhaus aus den 70ern in Hersbruck geerbt, es wurde mehrmals um- und ausgebaut. Statt Stil-Verhau wünschen sich die Schöpfels nun ein einheitliches Erscheinungsbild in zeitgemäßer Gestalt. Dafür kamen aus ihrer Sicht nur Abriss und Neubau infrage. Dagmar Pemsel riet jedoch, möglichst viel vom Bestand zu erhalten. Der Plan: Keller, Erdgeschoss und Teile des Obergeschosses werden gerettet. Das Satteldach kommt weg und ein rückspringender Flachdachaufbau macht das Patchwork-Einfamilienhaus zum gestalterisch einheitlichen Kuben-Ensemble. So kommt Dagmar Pemsel am Ende doch noch zu ihrer tollen – aber diesmal rundum nachhaltigen – Kiste. Und noch eine Bestandssanierung betreut die Architektin derzeit: Für eine junge Familie baut sie in der Nähe von Hersbruck den Dachbereich einer alten Scheune aus. Hier soll ein zeitgemäßes Zuhause im ehemals landwirtschaftlich genutzten Bestand entstehen. Die Veränderungen im Leben von Dagmar Pemsel sind symptomatisch für den Wandel der Gesellschaft: Ihr ehemals etwas raues industriell-gewerbliches Viertel wird zum trendigen Wohnquartier und mit ihren eigenen Projekten reagiert sie auf den Klimawandel und die neue Wertschätzung von Bestandsbauten. Und wenn sie jetzt in ihrem gemütlichen Lichthof über den Dächern von Nürnberg-Gostenhof sitzt, weiß sie, dass sich dieser Wandel gelohnt hat.